Wir Deutschen haben ja für alles und jedes ein Gesetz, eine Verordnung oder eine Verwaltungsvorschrift. Und Entschlackung würde sicherlich gut tun. Insbesondere wenn das stimmt, was ein Arbeitskollege erzählt (allerdings habe ich das nie nachgeprüft), dass 70 Prozent der gültigen Steuergesetze auf dieser Welt deutsche Steuergesetze, -richtlinien und Zusätze sind.
Also meine Freude war wirklich groß als ich dem Pressedienst des Deutschen Bundestages entnehmen konnte, dass gesetzliche Vereinfachungen in Angriff genommen werden sollen. Beim genaueren Hinsehen wuchs allerdings meine Enttäuschung wieder: Denn man will das Einheitengesetz und das Zeitgesetz zusammenführen - zum Einheiten- und Zeitgesetz.
Super, ich wusste nicht mal, dass es diese Gesetze gibt. Erst einmal entstand zusätzlich Unsicherheit bei mir, ob ich möglicherweise Gesetzesbrecher bin, weil ich gegen diese Gesetze verstoßen habe, weil ich nicht weiß, was sie regeln. Und der Rechtsgrundsatz verliert ja auch hier nicht seine Gültigkeit: Unkenntnis schützt vor Strafe nicht.
Schon der erste Satz dieser Nachricht machte mich stutzig "Die Bundesregierung plant mit einem Gesetzentwurf (16/8308), das Einheitengesetz und das Zeitgesetz zu einem "Einheiten- und Zeitgesetz" zusammenzuführen, ohne inhaltliche Änderungen vorzunehmen." Also um zwei vorhandene Gesetze in ein drittes gemeinsames Gesetz zusammenzuführen, benötigen wir ein viertes Gesetz um diese Zusammenführung zu regeln - spinnen wir eigentlich. Dieses dritte Gesetz soll letztlich keine inhaltliche Änderung erfahren.
Geradezu verwirrend wird der gesamte Vorgang, weil gleichzeitig das Eichgesetz in das Einheitengesetz übergehen soll. Aber ob sich damit das gesetzliche Messwesen tatsächlich in einem Gesetz befindet, wird nicht deutlich.
In dieser unüberschaubaren Gesetzesflut (Einheitengesetz = 9 Paragrafen, Zeitgesetz = 5 Paragrafen und Eichgesetz = 27 Paragrafen) sollen dann zusätzlich noch überflüssige Vorschriften beseitigt werden.
Damit man sich ein Bild machen kann, wovon hier die Rede ist, Paragraf 1 des Zeitgesetzes (möglicherweise ist ja das gesamte Gesetz überflüssig):
"§ 1 Gesetzliche Zeit
(1) Im amtlichen und geschäftlichen Verkehr werden Datum und Uhrzeit nach der gesetzlichen Zeit verwendet.
(2) Die gesetzliche Zeit ist die mitteleuropäische Zeit. Diese ist bestimmt durch die koordinierte Weltzeit unter Hinzufügung einer Stunde.
(3) Die koordinierte Weltzeit ist bestimmt durch eine Zeitskala mit folgenden Eigenschaften:
1. Sie hat am 1. Januar 1972, 0 Uhr, dem Zeitpunkt 31. Dezember 1971, 23 Uhr 59 Minuten 59,96 Sekunden, der mittleren Sonnenzeit des Nullmeridians entsprochen.
2. Das Skalenmaß ist die Basiseinheit Sekunde nach § 3 Abs. 4 des Gesetzes über Einheiten im Meßwesen vom 2. Juli 1969 (BGBl. I S. 709), zuletzt geändert durch Artikel 287 Nr. 48 des Gesetzes vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469), in Meereshöhe.
3. Die Zeitskala der koordinierten Weltzeit wird entweder durch Einfügen einer zusätzlichen Sekunde oder durch Auslassen einer Sekunde mit einer Abweichung von höchstens einer Sekunde in Übereinstimmung mit der mittleren Sonnenzeit des Nullmeridians gehalten.
(4) Für den Zeitraum ihrer Einführung ist die mitteleuropäische Sommerzeit die gesetzliche Zeit. Die mitteleuropäische Sommerzeit ist bestimmt durch die koordinierte Weltzeit unter Hinzufügung zweier Stunden."
Dienstag, 4. März 2008
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