Mittwoch, 31. Dezember 2008

Binär-Kotz


Okay, ich bin gebürtiger Hesse und komme aus der Nähe von Darmstadt. Ich lese gerne Krimis - auch solche mit einem regional Bezug. Sie sind nicht alle gut, aber meist doch irgendwie erträglich.

Christian Gude hat mit seinem Kriminalroman "Binärcode" ein Buch vorgelegt, das eine starke Grundidee hat und für die Darmstadt tatsächlich ein idealer Handlungsort wäre. Wenn da nicht diese merkwürdige Umsetzung der Story wäre.

Nicht jede Hauptfigur in einem Roman muss so gestaltet sein, dass ich mich als Leser mit ihr identifizieren möchte. Kommissar Rünz ist genauso eine Figur: ein echter Kotzbrocken. Überheblich, Chauvinist, Waffenfetischist, im Grunde ängstlich - also eine schillernde Persönlichkeit. Die Situationen, in denen Gude seinen Kommissar zeigt, lassen nur eine Schlußfolgerung zu: sympathisch wie ein elektrischer Stuhl.

"Rünz-Fälle sind anders. Ironisch, zynisch, politisch unkorrekt. Sie vereinen präzise wissenschaftliche Recherche mit Sprachwitz." So steht es auf dem Klappentext. Damit lässt sich natürlich jede negative Bewertung erschlagen - der Leser habe einfach nicht die Ironie und den Zynismus erkannt.

Alles klar: Ich habe nicht die Ironie und den Zynismus erkannt. Aber wer erkennt schon den Zynismus von Marketingexperten von Consulting-Unternehmen, deren Job anscheinend ziemlich frustierend ist (Gude geht wohl diesem Beruf nach).

Fängt der Roman noch ziemlich hart geradezu amerikanisch an: Rünz gerät auf dem Gelände einer leeren Industrieruine in einen Hinterhalt und entgeht knapp dem Tod. Nicht so ein dicker Italiener und eine junge französische Austauschpolizistin. Und so nehmen die Ermittlungen ihren Lauf - auf politisch ziemlich unkorrekte Art und Weise, weil Rünz eigentlich alles egal ist. Aber am Ende hat er das Rätsel gelöst: Außerirdische haben die Menschheit mit einem Radiosignal vor einem Kometeneinschlag 2036 gewarnt.

Das personelle Inventar des Romans ist reichlich bunt zusammen gewürfelt. Alles was so scheinbar chaotisch daher kommt, ist vom Autor letztlich wohl konstruiert - mich kann es jedoch nicht überzeugen. Auch die Sprache des Erzählers und seiner Figuren ist nach meiner Meinung ärgerlich (Ich weiß schon: ich hab' den Sprachwitz nicht verstanden).

Kommt die Ironie und der Zynismus in der Figur von Sven Hoven (Vorgesetzter von Rünz) gelegentlich an die Oberfläche, besonders wenn die Sprache von Marketigexperten Einzug in die Organisation der hessischen Polizei hält.
"Ich bin mir sicher, dass viele Mitarbeiter im Präsidium Südhessen über Skills und Key Competences verfügen, die wir mit solchen Tools intern intensiver kommunizieren könnten, um damit unsere Performance nachhaltig zu steigern." So Hoven in einer internen Mail.
Aber Gude kann es nicht lassen, seine Weisheiten genau auf die selbe Weise zu formulieren und zwar in den Erzählpassagen. Nun mag das ja Sprachwitz sein, wenn er Flohmärkte als "eine selbstreferentielle Sinn- und Zeitvernichtungsmaschine" betrachtet, aber mit seiner Geschichte hat das nichts zu tun. Und warum muss ich als Leser andauernd solche beschiessenen, arroganten Lebensweisheiten über mich ergehen lassen - über solche Bonmots hat sich der Autor höchstwahrscheinlich riesig gefreut.

Fazit: Ein Kriminalroman, der stark anfängt, schnell an Höhe verliert und dann lange Zeit nervt. Das Ende ist auf Meereshöhe (geschmeichelt). Man kann nur die Empfehlung aussprechen: Finger davon lassen und 9,90 Euro sparen.

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