Dienstag, 29. April 2008

Demokratie, Inzest

Die Nachrichtenlage ist gut - es gibt derzeit viele schlechte Nachrichten. Aber welche Nachrichten beschäftigen einen wie mich - besonders im Kopf.

Der Verlust der Marktanteile von Nokia-Handys in Deutschland? Die Gewinneinbrüche von deutschen Börsenunternehmen? Die Verluste der Banken durch die Finanzkrise (der selbst verschuldeten)? Okay, man nimmt die Meldungen wahr, denkt kurz drüber nach, aber für wirklich mehr reicht es nicht.

Es sind andere Dinge, bei denen der Gedankenapparat anspringt: Berlin hatte seinen ersten Bürgerentscheid am vergangenen Wochenende - Tempelhof ja oder nein? Die Wähler/innenwerbung um diesen Entscheid war - so fand ich - beachtlich. Postwurfsendungen, Radiospots und in den lokalen Radionachrichten alle naselang Informationen im Vorfeld. Der Entscheid ist vorbei, Tempelhof wird als Flughafen dicht gemacht: In der politischen Version heißt das: Die CDU hat die meisten Stimmen (aber nicht die erforderliche Mehrheit) - die SPD hat trotz weniger Stimmen gewonnen. Aber eigentlich ist es nicht das, was mein Hirn bewegt, eher die Aussagen im Vorfeld, dass Tempelhof geschlossen wird, auch wenn der Bürgerentscheid die erforderliche Mehrheit erreicht. Okay, man kann mir vorwerfen "Wolf, in einer parlamentarischen Demokratie entscheidet der Souverän (das Volk) alle vier oder fünf Jahre, dazwischen ist Schnauzehalten angesagt!" Aber darf man plebiszitäre Elemente einfach so abbügeln? Welches Demokratieverständnis tritt zutage, wenn ein Bürgerentscheid/eine Volksabstimmung anscheinend keinen Einfluß auf Politiker hat? Ich fürchte, wer Politikverdrossenheit weiter vorantreiben will muss nur weiter so handeln, aber über kurz oder lang wird sich so etwas rächen.

Der Inzestfall in Österreich wirbelt eine große emotionale Empörungswelle auf. Ich will den Fall nicht verharmlosen! Er gehört zu den Schlimmsten, die ich bisher wahrgenommen habe. Aber die vielen kleinen Fälle (meist im Bereich des Kindesmissbrauchs angesiedelt) werden in der Regel nur wie Blitzlichter wahrgenommen und dann ist es vorbei. Ich fürchte fast, die Inzest-Dunkelziffer liegt wesentlich höher als angenommen (wird da überhaupt etwas angenommen?) und vor allem, wenn es im Einverständnis der beiden Personen passiert. Was ist im aktuellen Fall schlimmer: der Mißbrauch, die Freiheitsberaubung oder der Inzest? Was wäre eigentlich, wenn ein Vater mit seiner Tochter seit 24 Jahren ohne Zwang eine geschlechtliche Beziehung hätte aus der sieben Kinder entstanden wären? Würde unser moralisches Empfinden sich regen oder nur unsere Schulter leicht zucken?

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